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S.P.O.N. - Der Schwarze Kanal Die große Datenphobie

In der Koalition gärt der Streit um die Vorratsdatenspeicherung. Die Union will mehr Zugriffsrechte für die Behörden, die FDP sperrt sich. Dabei ist nicht ganz klar, vor was die Deutschen eigentlich solche Angst haben sollen: Dass die Demokratie wieder in eine Diktatur umschlägt?

Der Datenschutz ist einer der letzten großen Totempfähle der Linken. Wo immer sich jemand daran macht, private Informationen zusammenzutragen, hebt die Klage über einen möglichen Missbrauch an; es wird gewarnt und gemahnt, als stehe Orwells Überwachungsvision "1984" mit Zeitverzug vor der Verwirklichung.

Groß ist die Aufregung, wenn Google Straßen und Häuser fotografieren lässt, damit man sich in der Fremde besser orientieren kann. Oder wenn Apple die Positionen seiner iPhone-Kunden speichert, an denen sie sich ins Netz eingewählt haben. Von einer "Totalerfassung des öffentlichen Raums" ist dann die Rede respektive einem "Eingriff in die Privatsphäre", der "Politiker weltweit entsetzt", wie man in der "Süddeutschen Zeitung" nachlesen kann.

Ein Unternehmen, das Kundendaten sammelt, ist schlimm - noch schlimmer ist ein Staat, der über seine Bürger nicht nur Steuernummer und Wohnort festhält. Es reicht schon, dass den Strafverfolgungsbehörden bei der Fahndung nach Gewalttätern der Zugriff auf die Telefonverbindungen der Verdächtigen zugestanden werden soll - und die Datensammelphobiker stehen Kopf.

Es ist in den Debatten der vergangenen Wochen etwas untergegangen, aber über die sogenannte Vorratsdatenspeicherung ist in der Regierung ein Stellungskrieg entbrannt, gegen den sich der Atomstreit wie ein leichtes Scharmützel ausnimmt.

Anschleichen ans linke Lager

Die Union möchte eine Lösung, die es zum Beispiel im Terrorfall möglich macht, anhand der Rufnummern zu sehen, mit wem ein Verdächtiger in der Zeit davor so alles Kontakt hatte. Es sind, nur zur Erinnerung, exakt diese Angaben, die es den Sicherheitskräften in England erlaubten, der Attentäter auf die Londoner U-Bahn binnen weniger Tage habhaft zu werden.

Die FDP, vertreten durch die Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bietet einen "Quick Freeze" an, also den richterlich verfügten Zugriff auf die Anrufe, die jemand nach einer Tat getätigt hat. Da man dann leider allerdings nicht mehr weiß, mit wem ein mutmaßlicher Täter zur Vorbereitung übers Telefon im Austausch stand, ist diese Fahndungsmethode im Ermittlungsalltag nur bedingt von Nutzen.

Das weiß auch Frau Leuheusser-Schnarrenberger, aber die Ministerin verfolgt höhere Ziele: Sie träumt schon länger davon, die FDP wieder ans linke Lager heranzuführen, das scheint ihr die passende Gelegenheit dazu. Weil die Führungsspitze der Freidemokraten derzeit mit ganz anderen Problemen beschäftigt ist, gibt es niemanden von Gewicht, ihr entgegenzutreten.

Vorbereitung für die Diktatur

Es ist nicht ganz klar, was eigentlich Furchtbares passieren soll, wenn die Telekom die Verbindungsdaten ihrer Kunden nicht nur vier Wochen aufbewahrt, um dann ihre Abrechnungen zu erstellen, sondern, wie bei der Vorratsdatenspeicherung gefordert, ein halbes Jahr - aber irgendwie stellen diese zusätzlichen fünf Monate eine enorme Gefahr für die Freiheit des Bürgers dar.

Wahrscheinlich geht es darum, für den Tag gewappnet zu sein, wenn der demokratische Staat wieder in eine Diktatur umschlägt: Da möchte man als möglicher Widerständler den Häschern nicht schon jetzt freiwillig die Mittel an die Hand geben, mit denen sie einen dann zu erledigen trachten.

Anders lässt sich ja auch die Aufregung um die Apple-Software nicht erklären, mit der sich, wenn man denn über einen IT-Experten im Haus verfügt, ein detailliertes Bewegungsprofil des iPhone-Kunden erstellen lässt. Auch in Zukunft werden viele Ehen mutmaßlich eher an einer falsch versendeten SMS scheitern als an der kleinen Apple-Datei, in der alle Aufenthaltsorte der Telefonbesitzer hinterlegt sind.

Scheitern des Subsidiaritätsprinzips

Man wäre sicher geneigter, die Ängste vor dem staatlichen Datenzugriff ernster zu nehmen, wenn sie nicht von den selben Leuten geäußert würden, denen sonst die Ermächtigungsrechte des Staates nicht weit genug gehen können. Kaum handelt es sich ums Soziale, richtet die Linke ihre ganze Hoffnung auf den Apparat, dem sie eben noch alles Böse zutraute. Da ist ihr Vertrauen in das segensreiche Wirken der offiziellen Vollzugsorgane nahezu grenzenlos. Die umgekehrte Reihenfolge würde eher Sinn machen, sollte man meinen: Im Alltag kommen viele Menschen auch ganz gut ohne staatliche Fürsorge aus, wenn man sie denn lässt.

Tatsächlich hilft das schöne Subsidiaritätsprinzip gerade dann nicht weiter, wenn die innere und äußere Sicherheit berührt ist. Gegen die Feinde der demokratischen Ordnung bietet nur der Staat verlässlichen Schutz - es sei denn, man würde auch hier zur Selbsthilfe zurückkehren, aber das wäre dann doch ein sehr weitreichender Schritt zum Schutz der Privatsphäre.

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