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Service-Verträge Das Guerilla-Handbuch für Kündigungen

Vertragskündigungen nur donnerstags zwischen 21 und 23 Uhr? Auf Marmortafeln gemeißelt? Mit dem eigenen Blut unterschrieben? Eigentlich ist es ganz einfach, aus lästigen Verträgen herauszukommen. Alles was man dazu braucht, sind gute Nerven, ein Aktenordner und dieser Guerilla-Leitfaden.
Post vom Inkasso-Büro: Schweres Geschütz bei Vertragskündigungen

Post vom Inkasso-Büro: Schweres Geschütz bei Vertragskündigungen

Foto: Jens Büttner/ picture alliance / dpa

Auf keine meiner Warteschleife-Kolumnen habe ich derart viel Feedback erhalten wie auf die Beschreibung des schikanösen Kündigungs-Procederes beim Internetanbieter 1&1. Hunderte Warteschleife-Leser berichten von verlustig gegangenen Kündigungsschreiben, von absurden Regeln und Formularen. Das Gros der Mails bezog sich auf 1&1, aber auch andere Unternehmen scheinen derart kundenfeindlich zu verfahren.

Viele wissen nicht, wie sie mit dem Problem umgehen sollen. Dabei können sich Verbraucher gegen Kündigungsschikanen relativ einfach zur Wehr setzen. Deshalb habe ich einen kleinen Kündigungsleitfaden für Service-Guerilleros zusammengestellt. Er sollte Ihnen helfen, renitente DSL-Anbieter, Fitnesscenter oder Kreditkartenfirmen mit einem Maximum an Effizienz und einem Minimum an nervlicher Belastung loszuwerden.

Lassen wir uns von denen nichts gefallen, Guerilleros! No pasaran!

Zunächst die Grundregel: Bei Kündigungen gilt, dass alles, aber wirklich alles schriftlich abgewickelt wird. Ansonsten lässt es sich später nicht beweisen. Widerstehen Sie der Versuchung, über die Hotline zu kündigen. Treffen Sie keine mündlichen Vereinbarungen mit irgendwelchen Callcenter-Fuzzis. Nur die Schrift ist heilig.

Operationsphase 1: Kündigung verschicken

Viele Unternehmen geben besondere Regeln oder Prozeduren vor: Kündigungen nur per Anruf bei einer Hotline, über ein Online-Portal, per Fax, ausschließlich mit einem speziellen Formular. Ignorieren Sie diesen Quatsch.

1. Setzen Sie stattdessen ein formloses Kündigungsschreiben auf.

2. Gucken Sie dazu in Ihren Vertrag, damit Sie die Fristen korrekt einhalten.

3. Kundendaten, Datum und Unterschrift nicht vergessen.

4. Widerrufen Sie außerdem zum Tag des Vertragsendes die Einzugsermächtigung.

5. Bitten Sie um eine schriftliche Bestätigung Ihrer Kündigung.

6. Schicken Sie den Brief per Einschreiben mit Rückschein an die im Impressum der Unternehmens-Website angegebene Adresse. Falls Sie einen Scanner besitzen, dann schicken Sie das Schreiben zusätzlich als Datei an die im Impressum zu findende E-Mail-Adresse. Auch ein Fax mit Sendebericht ist okay. Viel hilft viel.

Wenn Sie Glück haben, war es das schon. Da Sie Ihre Kündigung über mehrere Kanäle rausgeballert haben, dürfte unstrittig sein, dass sie dem Unternehmen zugegangen ist. Eigentlich.

Exkurs für Paranoiker: Ein Einschreiben mit Rückschein ist zwar nachweislich angekommen, aber das Unternehmen könnte behaupten, es habe statt der Kündigung ein lustiges Katzenfoto enthalten. Wenn Ihnen dieses Szenario Zahnschmerzen bereitet, können Sie Ihre Kündigung auch von einem Gerichtsvollzieher zustellen lassen. Das ist teurer, aufwendiger und dauert. Dafür ist es bombensicher.

Operationsphase 2: Beweismittel sichern

Eine Kopie des Kündigungsschriebs, der bei Ihnen eingetrudelte Rückschein sowie ein Ausdruck der E-Mail kommen in einen Ordner. Nehmen Sie keinen allzu dünnen. Es könnte nämlich ein ordentlicher Stapel zusammenkommen.

Operationsphase 3: Gegenoffensive erwarten

Ihr Gegner wird nun eines von drei Manövern durchführen:

1. Er bestätigt die Kündigung. In diesem Fall Bestätigung abheften, Guerilla-Flagge schwenken, "Venceremos!" rufen.

2. Er spielt toter Mann. Auch nicht weiter schlimm. Sie können ja jederzeit glaubhaft darlegen, dass Sie gekündigt haben. Wenn Sie möchten, können Sie per E-Mail erneut das Bestätigungsschreiben anmahnen, muss aber nicht.

3. Er behauptet, die Kündigung sei nicht wirksam. Weil sie zu spät ins System eingebucht wurde und deshalb leider die Frist überschritten ist. Weil man erst den Rückschein sehen wolle. Oder weil man Kündigungen grundsätzlich erst nach einem klärenden Telefongespräch akzeptiere, und zwar ausschließlich während der Planet Saturn im Sternbild des Stier steht.

Operationsphase 4: Ab in den Bunker

Falls Ihr Widersacher das unter 3.2.oder 3.3. beschriebene Verteidigungsschema gewählt hat und so tut, als bestehe Ihr Vertrag weiterhin: Ruhig Blut, Guerillero! Machen Sie sich bewusst, dass die Rechtslage folgende ist: Sie haben eine eindeutige Willenserklärung ("Ich kündige!") abgegeben. Diese ist dem Unternehmen zugegangen, Ende Gelände. Sie haben Frist und Form gewahrt, der Rest ist ein Wunschkonzert, das Sie geflissentlich ignorieren können.

Und obwohl es Sie jetzt juckt, wütende Briefe zu schreiben: Lassen Sie es. Bestenfalls noch einen E-Mail-Einzeiler, mit der Kündigung im Anhang, als Erinnerung. Alles andere kostet nur Zeit. Hocken Sie sich stattdessen in Ihren Bunker, halten Sie Ihren Ordner über den Kopf, und warten Sie auf die unvermeidlichen Granateneinschläge.

Caramba, Ché! Jetzt macht die Sache erst richtig Spaß.

Operationsphase 5: Das feindliche Trommelfeuer

Ihr Gegner findet, dass Sie und er immer noch Vertragspartner sind. Also wird er Sie mit weiteren Rechnungen unter Beschuss nehmen. Da Sie diese unbezahlt in Ihren Ordner heften, folgen nach einiger Zeit Mahnungen. Ab in den Ordner damit. Schon voll? Ich hatte doch gesagt, Sie sollen lieber einen dicken nehmen.

Vielleicht versuchen die Schurken nach Vertragsende, weiter Lastschriften von Ihrem Konto zu ziehen. Weisen Sie diese bei Ihrer Bank zurück. Sie haben die Einzugsermächtigung schließlich widerrufen. Die Folge sind natürlich weitere Mahnungen. Sei's drum.

Vielleicht meinen Sie, es wäre nun allmählich an der Zeit für ein klärendes Friedensgespräch? Nichts da. Es ist alles gesagt, Ché, unsere Verteidigungslinie steht.

Operationsphase 6: Die dicke Berta

Irgendwann wird Ihr Gegner erkennen, dass seine fakturierten Mösergranaten keinerlei Schaden anrichten. Dann wird er schweres Geschütz auffahren: Das Inkasso. Wenn das erste Inkasso-Schreiben eintrudelt, bekommen Sie es vielleicht mit der Angst zu tun. Aber keine Sorge: Comandante König ist bei Ihnen.

Machen Sie sich klar, dass sich an Ihrer exzellenten Verteidigungsposition nichts geändert hat. Sie besitzen eine fristgemäß eingereichte, doppelt dokumentierte Kündigung. Es gibt allerdings eine Schwachstelle in unserer Verteidigung, mit Hilfe der uns die Inkasso-Brigaden überrumpeln könnten. Also Obacht!

Nach diversen Drohbriefen ("Konsequenzen!", "Kosten!", "Kniescheibe!") wird Ihnen irgendwann ein gelber Brief vom Gericht zugehen. Checken Sie den Absender, manche Inkasso-Firmen verschicken gefälschte Gerichtsbriefe. Wenn der Brief echt ist, kommt er direkt vom zuständigen Amtsgericht. Es handelt sich um einen gerichtlichen Mahnbescheid gegen Sie.

Sie müssen mit Hilfe des beiliegenden Formulars binnen 14 Tagen widersprechen (per Einschreiben mit Rückschein, bitte). Tun Sie das nicht, ist der Mahnbescheid gültig, ohne dass geprüft wird, ob die Forderung zu Recht besteht. Dann kann der Gläubiger nach einigen Wochen einen Vollstreckungsbescheid erwirken.

Sie sollten also sicherstellen, dass Ihr Briefkasten regelmäßig geleert wird. Wenn Sie vier Wochen nach Mallorca fahren, könnte Ihnen der Schrieb vom Amtsgericht ansonsten durchgehen.

Aber wer fährt mitten im Krieg schon in Urlaub, Compadre?

Operationsphase 7: Auf zum letzten Gefecht

Nachdem Sie dem Antrag widersprochen haben, ist nun wieder Ihr Gegner am Zug. Vermutlich schicken seine Inkasso-Söldner noch ein paar Formbriefe und fordern Sie zur Rücknahme Ihres Widerspruchs auf. Inzwischen sind Sie als erfahrener Service-Guerillero aber vermutlich schon so abgehärtet, dass Ihnen derlei Manöver nicht einmal mehr einen Lippenfurz entlocken.

Aller Wahrscheinlichkeit nach gibt Ihr Gegner nun auf - de facto, ohne dass Sie etwas tun mussten. Denn im nächsten Schritt müsste er Klage auf Zahlung erheben. Dazu muss er einen Anwalt bestellen und eine Klageschrift vor Gericht einreichen. Das ist ziemlich teuer. Es ist außerdem riskant. Denn vor Gericht ist das Unternehmen als Kläger in der Beweispflicht und muss nun dem Richter verklickern, warum Ihre fristgerechte, gut dokumentierte, in doppelter Ausführung erfolgte Kündigung irgendwie doch voll nichtig sein soll. Da kann man nur viel Spaß wünschen. Wenn das Unternehmen unterliegt, darf es übrigens die kompletten Verfahrenskosten tragen, weswegen es fast nie zur Klage kommt.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass es trotzdem passiert: Suchen Sie sich bitte einen Anwalt. Denn wer sich vor Gericht selbst verteidigt, der hat zum Klienten einen Narren.

Beipackzettel: Dieser Leitfaden orientiert sich daran, was für Normalverbraucher praktikabel und gangbar ist. Ich habe ihn in einem realen Fall mit meinem Rechtsanwalt durchexerziert. Da man aber schon Advokaten vor den Amtsgericht hat kotzen sehen, muss angemerkt werden, dass jeder Fall ein Einzelfall ist und es theoretisch möglich ist, dass ein besonders renitentes Unternehmen zu außerordentlich absurden Tricks greift, die in diesem Brevier nicht abgedeckt sind. Im Zweifelsfall hilft ein Rechtsanwalt. Gerne können Sie mir Ihre Erlebnisse auch schreiben: warteschleife@spiegel.de 

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