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G-8-Gipfel in Deauville Kriegsrat ohne Kanzlerin

"Wenn's ernst wird, verziehen sich die Deutschen" - die Enthaltung der Bundesregierung in der Libyen-Krise hallt beim G-8-Gipfel nach. Angela Merkel darf zwar über Finanzhilfen für arabische Staaten mitbestimmen. Beim Treff zum Krieg gegen Gaddafi aber bleibt die Kanzlerin außen vor.
Staatsleute Merkel, Sarkozy, Obama: "Da ist die Angela ganz empfindsam geworden"

Staatsleute Merkel, Sarkozy, Obama: "Da ist die Angela ganz empfindsam geworden"

Foto: dapd

"Gaddafi muss aufgeben." Angela Merkel steht in einem Raum ohne Fenster. Hinter ihr klebt das französische G-8-Logo in Form des Eiffelturms an der Wand. Die deutsche Kanzlerin sagt ihren Satz sehr bestimmt, ihre Hände bilden vor dem Bauch ein Dreieck. Es ist Freitagmittag, der G-8-Gipfel im nordfranzösischen Seebad Deauville ist gleich zu Ende, doch bevor Angela Merkel in den Flieger steigt, hat sie noch eine Botschaft. Sie will keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass die Deutschen ihre Verbündeten in der Libyen-Krise unterstützen, obwohl sie nicht gemeinsam mit ihnen Krieg führen.

Die deutsche Enthaltung bei der Abstimmung über die Libyen-Resolution bei den Vereinten Nationen von Mitte März wirkt auch beim G-8-Gipfel in Deauville nach. Natürlich ist Deutschland nicht isoliert bei dem Treff der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten und Russlands. Dafür ist Europas größte Volkswirtschaft zu wichtig: bei der Rettung des Euro, bei den Finanzhilfen für die arabische Welt, überall werden die Deutschen gebraucht. Und dennoch: Wenn es wirklich ernst wird, wenn es, wie in Libyen, um Leben und Tod geht, verziehen sich die Deutschen auf die Zuschauerposition. So lautet der Vorwurf.

Wenn es noch eines Bildes bedurft hätte, um diese Entfremdung zu beschreiben, liefert es der Donnerstagabend. Da saßen Staats- und Regierungschefs der G8 in einem Restaurant in Standnähe beisammen und diskutierten über Nahost, die arabische Reformbewegung, andere Themen. Schließlich stand Libyen auf der Tagesordnung, genauer gesagt der Luftkrieg, den fünf der G-8-Staaten derzeit gegen das Regime Gaddafis führen. Da verließ Kanzlerin Angela Merkel den Raum. Während sie am anderen Ende der Stadt ein Hintergrundgespräch mit Journalisten führt, diskutieren Barack Obama, Nikolas Sarkozy, David Cameron sowie die Regierungschefs von Italien und Kanada den Kriegsverlauf. Deutschland ist beim Kriegsrat nicht dabei.

Die Kanzlerin bestätigt den G-5-Treff am nächsten Tag. Weitere Fragen wischt sie schnell weg. Natürlich sind die Deutschen bemüht, den Kriegsrat herunterzuspielen. Es sei um den Verlauf der Luftangriffe gegangen, da habe Deutschland nichts zu suchen, sagt ein Merkel-Berater. Man sei sogar eingeladen worden, dabei zu sein. Aber Merkel habe gesagt, nein, macht ihr mal.

Ausgerechnet Sarkozy müht sich um ein Happy End

Das klingt einerseits plausibel, andererseits überhaupt nicht. Natürlich entspricht es dem Selbstverständnis Merkels, jetzt nicht bei den Details eines Krieges reinzureden, den Deutschland nicht führt. Sie wünscht der Allianz Erfolg, obwohl sie vor dem Waffengang gewarnt hatte und der Kriegsverlauf zeigt, dass sie recht damit hatte: zwei Monate nach Beginn der Luftangriffe hält sich Gaddafi noch immer.

Wenn man freilich wenig später hört, wie David Cameron, der britische Premier, von dem Termin berichtet, spricht wenig dafür, dass die Türen für Merkel wirklich offen waren. Es sei ein Treff der in Libyen Krieg führenden Staaten gewesen, sagt der Brite. Thema war die militärische Strategie gegen Gaddafi, vor allem der Einsatz britischer und französischer Kampfhubschrauber. Kaum vorstellbar, dass Briten und Franzosen da die Deutsche dabei haben wollten.

Der Kanzlerin bleibt es vorbehalten, die friedlichen Mittel zu Unterstützung der arabischen Revolutionsbewegungen zu verkünden. 20 Milliarden Dollar an Finanzhilfen für Ägypten und Tunesien sagen die G8 in ihrer Abschlusserklärung zu, sie sollen zwischen 2011 und 2013 vor allem von den großen internationalen Entwicklungsprogrammen kommen. Dazu gibt die EU noch einmal 1,3 Milliarden Euro für Tunesien und Ägypten.

Im Gegensatz zu Gastgeber Sarkozy liegt Merkel die Prahlerei mit dem Zahlenwerk nicht. Sie weiß: Das Geld muss bei den Leuten erst einmal ankommen, es fehlen konkrete Programme, um Ägypten und Tunesien wirkungsvoll zu helfen. "Wir müssen die Hilfen schnell konkret machen", mahnt Merkel. Deutschland wolle 300 Millionen Euro an ägyptischen Schulden umwandeln und das Geld zum Beispiel für die Ausbildung von 5000 Jugendlichen nutzen.

Es ist ausgerechnet Nikolas Sarkozy, der am Ende dafür sorgen will, dass der Gipfel mit einem Happy End für die Deutsche endet. Die letzten Worte auf seiner Abschlusspressekonferenz sind an Merkel gerichtet. Am Donnerstagabend, da habe man beim Essen aufs Meer geschaut, hinaus auf den Sonnenuntergang über dem Atlantik. "Da ist die Angela ganz empfindsam geworden", sagt Sarkozy vor Hunderten von Journalisten. "Und wenn die Angela empfindsam und glücklich ist bei der G8, dann ist alles gut."

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